Liebes Leben ...

9. November 2008

... ein Mahl und nie wieder?

Es ist doch immer eine große Freude, in einem öffentlichen Personalrestaurant zu speisen. Dort scheint sich ein ungeschriebener Kantinen-Knigge durchgesetzt zu haben: Als erstes ist es wichtig, sich möglichst lange am Besteck aufzuhalten, um dadurch alle anderen aufzuhalten - nicht, dass hier noch irgendetwas flüssiger läuft als der gurgelnde Getränkeautomat. Viele Leute haben mit dieser Form der Entschleunigung zum Glück kein Problem, da es ihnen entweder an nötiger Feinmotorik mangelt, um das Besteck zielgerichtet aus den Öffnungen zu greifen, oder weil sie gerade mit sehr differenzierten Überlegungen beschäftigt sind, wie: Ist es wahrscheinlicher, dass ich Messer und Gabel brauche, oder doch eher einen Löffel - oder vielleicht sogar alles drei? Und was ist mit einem Dessertlöffel? Werde ich wohl nach dem Essen, das ich mir bis jetzt noch gar nicht ausgesucht habe, noch Lust auf einen Nachtisch haben, ohne das aktuelle Dessert-Angebot zu kennen? Die schwer wiegenden Entscheidungen an den Besteckkästen sind nicht zu unterschätzen. Wenn man das geschafft hat, steht man am besten erst mal unentschlossen im Weg rum, kneift die Augen zusammen und legt den Kopf ein bisschen schräg, um aus der Ferne die einzelnen Menüangebote entziffern zu können (bloß nicht näher rangehen, die Damen und Herren an der Essensausgabe könnten das als Interesse interpretieren). Wenn man sich entschieden hat, welches Essen heute die farblich schönste Kombination bietet, ein ausgewogenes Preis-Leistungsverhältnis hat und obendrein auch noch schmecken könnte, begebe man sich auf den Weg dorthin und stupse dabei freundlich andere Unentschlossene mit dem Tablett in den Rücken, um anzuzeigen: Ich will hia duach! Bei der Essensausgabe hat es sich etabliert, Sonderwünsche anzumelden: Ich möchte gern das dritte Schnitzel von vorn, aus der linken Reihe, oder: Ach, eigentlich hätte ich lieber gern Röstkartoffeln statt Pommes. Abschließend muss man sich dann nur noch an der Schlange und dort dann besonders blöd anstellen - zum Beispiel alles stehen lassen und nochmal zurücklaufen, weil man die 13-ml-Tüte Ketchup vergessen hat (die gibt's wirklich: reichen für vier Mal Würstchen reinstippen, ich hab's ausprobiert). Auch beliebt: Über den Preis disuktieren oder lange nach passendem Kleingeld suchen. Wer es dann noch schafft, direkt am Eingang zu den Sitzplätzen stehen zu bleiben und so den Durchgang zu versperren, hat es geschafft: Er wird sich nicht mehr die Zunge an der mittlerweile erkalteten Mahlzeit verbrennen, hat seine Arme durch den ausdauernden Transport des Tabletts gestählt, bereits die Hälfte der öden Mittagspause erfolgreich hinter sich gebracht und außerdem eine Menge neuer Freunde gewonnen.

3 Kommentare:

Chefkoch@TorZurWelt hat gesagt…

Hör auf zu jammern du warst noch nie in einer Uni-Mensa - stimmts??? :P

Anonym hat gesagt…

Du hast jene Zeitgenossen vergessen, die ihr Würstchen plus 13ml-Ketchup-Tüte mit ec-Karte bezahlen, dabei zweimal die falsche Geheimzahl eintippen und dann zweieinhalb Minuten den Ausdruck studieren, ob nicht versehentlich eine 26-ml-Ketchup-Tüte berechnet wurde. Und was ist mit jenen, die während der Bestellung ("Lieber Röstkartoffeln statt Pommes und statt des Schnitzels bitte den Fisch.") mit ihrem Handy telefonieren? Oder mit jenen, die zwischen Salattheke und Essensausgabe ein spannendes Gespräch mit jenem Kollegen führen, den sie nun schon seit fünf Minuten nicht mehr gesehen haben? Ach, jetzt weiß ich wieder, was ich die letzten zwei Wochen so vermisst habe. Ich freue mich schon auf die Tablettstupser im Rücken und die Frage "Stehen Sie hier auch an?".

mir hat gesagt…

Die Mensa ist der einzige Raum, den ich jemals in einem Uni-Gebäude betreten habe - und da galt wirklich: Ein Mahl und nie wieder!

Stimmt, "Stehen Sie hier auch an?" wäre auch eine passende Überschrift für diesen Beitrag gewesen ... Da kann man sich schon fast für jeden Tag der Woche eine andere Antwort überlegen. Zum Beispiel: "Nö, ich wollte mir die Kantine nur mal aus einer anderen Perspektive angucken."