Liebes Leben ...

31. Oktober 2010

... wer braucht denn sowas?

Als ich kürzlich spaßeshalber sagte, dass mal jemand eine beheizbare Maus erfinden müsste, wurde ich zunächst so irritiert angestarrt, als hätte ich behauptet, weiße Mäuse zu sehen. Tu' ich auch, aber das ist normal, denn meine Computer-Maus ist weiß - ich hätte sie jedoch lieber in heiß, weil mir an kalten Tagen leicht mal meine absolut unbezahlbare rechte Klick-Hand einfriert (doch, ich habe auch andere Sorgen, aber man muss Prioritäten setzen). Wahrscheinlich wird es hier niemanden wundern, dass ich kurz darauf von meinen Kollegen mit Links zu entsprechenden Produkten versorgt wurde - denn natürlich ist dieser Schnickschnack längst erfunden. Für Blödsinn jedweder Art scheint es offenbar besonders viele Abnehmer zu geben. Vielleicht sind es sogar noch mehr als die, die an Diäten teilnehmen. Wer zum Beispiel braucht einen LED-Duschkopf oder eine Pfeffermühle, die bei Inbetriebnahme leuchtet wie eine Taschenlampe? Letzteres mag bei "Dinner in the Dark" ja noch sinnvoll sein, aber ansonsten gehe ich davon aus, dass normale Menschen ihre Mahlzeit in beleuchteten Räumen zubereiten und zu sich nehmen. Und wo wir schon mal in der Küche sind: Wozu sollen Ölsprüher gut sein? Die stehen vielleicht dekorativ auf dem Tisch rum, sind aber so überflüssig wie ein Allradfahrzeug in der Großstadt. Und apropos Sprühen: Meine liebste Produktfamilie, die Deodorants, hat auch Zuwachs bekommen: Nach dem Mülleimer- und Geschirrspülmaschinen-Deo gibt es nun für uns Menschen das 48-Stunden-Deo. Oder anders gesagt: Das Zwei-Tage-Deo. Inhaltlich genau dasselbe, doch während 48 Stunden nach wichtiger Doppelschicht im Krankenhaus klingen, fühlt man sich bei der Zwei-Tage-Formulierung rückversetzt in die Zeit, in der man lieber parfümierte Perücken trug, anstatt sich vernünftig zu waschen. Soll das jetzt etwa wieder Mode werden?

22. Oktober 2010

... wie schnell ist Liebe?

Bei manchen Leuten funktioniert es überschallartig. Die verlieben sich so schnell, dass man eigentlich von Liebe vor dem ersten Blick sprechen müsste. Sie sehen nur ein Kinn, eine Locke, eine Nase oder, könnte es schöner sein, eine herzförmige Narbe und sind quasi aus dem Stand heraus bereit, das Kinn, die Locke, die Nase oder die Narbe zu ehelichen. Besonders häufig verlieben sich Menschen in Münder (nicht das Heilbad in Niedersachsen, sondern das Körperteil), und zwar meistens völlig unabhängig davon, was diese Münder für Sätze sprechen - einfach still halten sollen sie, und möglichst einzigartig lächeln. Damit man den kleinen Zahn sieht, der leicht schief steht, in den man sich gleich mitverliebt hat. Oder so ähnlich, ich möchte das lieber nicht, nun ja, vertiefen. Jedenfalls muss das berühmte Herzrasen, von dem Verliebte immerzu sprechen, hier seinen Ursprung haben - ist ja auch kein Wunder, dass das Organ bei dem Tempo auch einen Zahn zulegen und sämtliche Geschwindigkeitsbeschränkungen übertreten muss. Alles passiert so plötzlich, als würde man kurz stolpern und hinfallen. Fall in Love, ha ha. Aber das macht gar nichts, im Gegenteil, es ist toll, das zu können. Ein bisschen unheimlich, aber toll. Biochemisch betrachtet ist es sogar geradezu beneidenswert. Man feiert mit seinen Hormonen ständig kleine Partys, fühlt sich ein wenig betrunken, aber man stürzt dabei selten völlig ab und es schleicht sich kein ausgewachsener Kater in die Seele, wenn schon am nächsten Morgen alles wieder vorbei ist. Denn das ist es bei diesen Menschen ja meistens - der Zustand geht genauo schnell, wie er gekommen ist. Und dann gilt wie immer nach dem Hinfallen: Aufstehen, Mund abwischen, weiter machen. Bis ein neues Kinn vorbei läuft. Oder eine Locke. Oder eine Nase. Oder eine Narbe - im eigenen Gesicht.

16. Oktober 2010

... ist das alles?

Ich weiß, dass die Frau an der Fleischtheke nur wissen wollte, ob ich zu dem Rinderfilet noch etwas anderes kaufen wollte. Ich weiß auch, dass es eigentlich müßig ist, sich über eine zweihundert Mal pro Tag getätigte, unbedachte Formulierung einer Fleischereifachverkäuferin Gedanken zu machen, aber manchmal mag mein Hirn eben Unsinn und darum lasse ich beim Floskelfestival die Ohrenstöpsel auch absichtlich mal zu Hause. Also: Wie wäre es wohl, wenn man der Dame geantwortet hätte: "Nein, das ist nicht alles, ich brauche nämlich auch noch Brot und Milch"? Oder: "Nein, das ist nicht alles, sondern nur ein Stück Rinderfilet"? Oder: "Nein, natürlich ist das nicht alles, denn niemand kann alles haben"? Aber das sind vermutlich so Dinge, die man besser nicht zu jemandem sagt, der einen Fleischwolf bedienen kann. Außerdem hat "alles" sowieso Konjunktur. Die Floskel "Wie geht's Dir?" wird zunehmend durch "Alles gut?" ersetzt, man bekommt "Prozente auf alles" und der Techniker erzählt einem, das "alles in Ordnung" sei, obwohl er zwei Sekunden vorher noch geflucht hat. War vielleicht Technik-Tourette. Habe ich auch manchmal. Jedenfalls ist das doch alles gelogen. Wir nicken brav, dass "alles bestens" ist (oder zumindest wird), obwohl es sich eher so anfühlt, als wäre alles scheiße (was natürlich auch nie stimmt), man bekommt auf Tiernahrung überhaupt keine Prozente und bei Technik ist grundsätzlich nie "alles in Ordnung". Aber es hört sich halt so gut an. "Mir gehört alles, was Du sehen kannst" klingt doch viel besser als "Mir gehört zwar das weite Land, aber der Himmel und die Sonne und der Vogel dort im Baum nicht." Und "alles" ist bequem. "Ich liebe alles an Dir" erspart einem das lästige Aufzählen von Dingen, die einem sowieso nie auffallen würden. Jeder will alles, jeder gibt alles, jeder macht alles möglich. Ist ja auch kein Problem, wenn schon ein simples Rinderfilet alles sein kann. Und von mir ist das für heute auch alles.

3. Oktober 2010

... wie bringt man Taxifahrer zum Schweigen?

So Freunde. Jetzt möchte ich mal all denen was erzählen, die immer behaupten, Taxifahren sei nachts viel sicherer und angenehmer, als die U-Bahn zu nehmen. Ich vermute, dass man dieser Meinung nur sein kann, wenn man grundsätzlich nicht mit Taxifahrern spricht - wobei auch das nicht immer hilft, wie meine letzte nachmitternächtliche Taxifahrt zeigt. Der Weg führte uns über die Reeperbahn, was an sich noch nicht verwerflich war. Und als der Fahrer sagte: "Ach guck mal, da hinten stehen Kalle und Pepe", habe ich mir auch noch nichts dabei gedacht. Dann sagte er: "Und in dem Club da, da habe ich Hausverbot." Na großartig. Wollte er jetzt Mitleid oder Applaus? Ich schwieg und stellte keine Fragen. Was ihn kaum störte. Er: "Weil die Besitzerin meint, ich würde ihr die Mädels abwerben." Aha. Ich schwieg weiter. Und er sprach weiter: "Aber ich habe damit eigentlich gar nichts zu tun." Schon klar - und ich bin eigentlich die Kaiserin von China. Hatte der noch alle Kolben im Zylinder? Die Straße schien kein Ende zu nehmen. Ich erfuhr (im wahrsten Wortsinne), in welchem Club es ein Separée gibt, das in Wirklichkeit ein Puff ist, in welchem Laden es "die Frauen auch mit anderen Frauen machen", und dass mein Fahrer eine Monatsrate für ein Hotel hier ausgehandelt hat. Endlich: Die Chance, das Gespräch in andere Bahnen zu lenken. Unbeteiligt fragte ich, ob er seinen festen Wohnsitz in einer anderen Stadt habe. Worauf er etwas von "anderen Aufträgen" brummelte, die er manchmal hätte. Und dann erzählte er etwas von einem Segelboot, das er in fünf Jahren, wenn er in Rente gehe, kaufen wolle, und von einer Tournee, die er plane. Eine Flohmarkt-Tournee, wie er auf Nachfrage erklärte. Er schien sowas wie ein altmodischer Ebay-Powerseller zu sein, der Neuware verkauft, ohne Händler zu sein. Erlöst wurde ich erst, als er sich nach meinem Beruf erkundigte. Ich überlegte kurz, ob ich spaßeshalber "Steuerfahnderin" oder "Kriminalpolizistin" sagen sollte, aber auch "Journalistin" war wohl nicht das, was er so gerne hören wollte. "Bei der Bild?" fragte er gleich. Ich verneinte. Er atmete auf. Und sagte, dass er da sowieso immer nur die Politik auf Seite zwei gelesen hätte. Aber ich bezweifele, dass er jemals über das Mädchen auf Seite eins hinausgekommen ist - schließlich hat er auf dem Kiez ja Hausverbot.