Liebes Leben ...

21. Februar 2009

... wer beschützt mich?

Die Stadt ist verseucht. Mit Erinnerungen. An jeder Ecke lauern sie und überfallen einen grundsätzlich per Überraschungsangriff. Da bummelt man gedankenverloren durch die Straßen und steht auf einmal vor dem Restaurant, in dem man mit jemandem festgestellt hat, wie toll man zusammenpasst. Oder vor dem Restaurant, in dem man dann festgestellt hat, dass man irgendwie doch nicht so toll zusammenpasst. Oder vor dem Restaurant, in dem man mit jemand anders festgestellt hat, dass man nicht so toll zusammenpasst. Oder vor dem Restaurant, in dem man festgestellt hat, dass man zwar toll zusammenpasst, aber es trotzdem nicht funktioniert. Dann grummelt man ein bisschen und nimmt sich vor, all diese Orte ab sofort zu No-Go-Areas zu machen. Was schwierig ist, weil man irgendwann nirgendwo mehr essen gehen kann. Außerdem sind da ja auch noch die beweglichen und nicht beeinflussbaren Erinnerungs-Gegenstände. Zum Beispiel blaue VW-Golfs, schwarze Mercedes-Kombis, graue Ich-hab-die-Marke-vergessen-erkenne-es-aber-überall-wieder, die unangekündigt vor der eigenen Haustür parken und für eine Schrecksekunde sorgen, bis man das Nummernschild entziffert hat und erleichtert feststellt: Kenne ich nicht. Alles auf einmal No-Drive-Cars. Bestimmte Parfums werden zu No-Use-Fragrances, manch Akzent zum No-Speak-Dialect und Zwei-Euro-Münzen zu Not-want-to-have-it-in-my-purse-Coins. Warum? Na, weil man auf der Rückseite immer öfter von irgendwelchen innerdeutschen Sehenswürdigkeiten überrascht wird und das Gedächtnis dauernd Querverbindungen herstellt. Da fällt einem erst mal auf, wo man überall Leute kennt - heute habe ich aus lauter Protest erst die Saarbrücker Ludwigskirche und dann das Lübecker Tor auf Nimmerwiedersehen im Parkautomaten versenkt (ja ja, parken ist sauteuer). Wie soll das erst werden, wenn man älter wird und noch mehr Menschen in noch mehr Situationen erlebt hat? Gibt's bis dahin vielleicht Emotions-Kammerjäger, die die Stadt sauberhalten?

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Vielleicht hilft ja eine Konfrontationstherapie, z.B. auf 'nen Drink in einer Bar, in der es mal ganz nett war oder so. Vielleicht kann man da ja mit Karte zahlen. Oder doch ein No-Go?

mir hat gesagt…

Hm - wen soll ich jetzt mit wem konfrontieren? Die Bar mit mir? "Mir" mit vergangenen Personen? Die Hemden vergangener Personen mit dem Drink? Oder den Drink (samt Bar) mit einer Abrissbirne?
Entdecke die Möglichkeiten! Hat mein Gedächtnis auch grad getan, wie immer unaufgefordert. Bei "Brian" schrillt schon wieder die No-Name-Glocke ... Hilfe, wo sind die Kammerjäger?