Ich weiß, dass die Frau an der Fleischtheke nur wissen wollte, ob ich zu dem Rinderfilet noch etwas anderes kaufen wollte. Ich weiß auch, dass es eigentlich müßig ist, sich über eine zweihundert Mal pro Tag getätigte, unbedachte Formulierung einer Fleischereifachverkäuferin Gedanken zu machen, aber manchmal mag mein Hirn eben Unsinn und darum lasse ich beim Floskelfestival die Ohrenstöpsel auch absichtlich mal zu Hause. Also: Wie wäre es wohl, wenn man der Dame geantwortet hätte: "Nein, das ist nicht alles, ich brauche nämlich auch noch Brot und Milch"? Oder: "Nein, das ist nicht alles, sondern nur ein Stück Rinderfilet"? Oder: "Nein, natürlich ist das nicht alles, denn niemand kann alles haben"? Aber das sind vermutlich so Dinge, die man besser nicht zu jemandem sagt, der einen Fleischwolf bedienen kann. Außerdem hat "alles" sowieso Konjunktur. Die Floskel "Wie geht's Dir?" wird zunehmend durch "Alles gut?" ersetzt, man bekommt "Prozente auf alles" und der Techniker erzählt einem, das "alles in Ordnung" sei, obwohl er zwei Sekunden vorher noch geflucht hat. War vielleicht Technik-Tourette. Habe ich auch manchmal. Jedenfalls ist das doch alles gelogen. Wir nicken brav, dass "alles bestens" ist (oder zumindest wird), obwohl es sich eher so anfühlt, als wäre alles scheiße (was natürlich auch nie stimmt), man bekommt auf Tiernahrung überhaupt keine Prozente und bei Technik ist grundsätzlich nie "alles in Ordnung". Aber es hört sich halt so gut an. "Mir gehört alles, was Du sehen kannst" klingt doch viel besser als "Mir gehört zwar das weite Land, aber der Himmel und die Sonne und der Vogel dort im Baum nicht." Und "alles" ist bequem. "Ich liebe alles an Dir" erspart einem das lästige Aufzählen von Dingen, die einem sowieso nie auffallen würden. Jeder will alles, jeder gibt alles, jeder macht alles möglich. Ist ja auch kein Problem, wenn schon ein simples Rinderfilet alles sein kann. Und von mir ist das für heute auch alles.
3 Kommentare:
Natürlich will jeder alles. Das ist wie mit dem "Guten Tag, ich hätte gern Ihr zweitbestes Steak." Stell dir vor, die Verkäuferin fragt: "Waren das jetzt teilweise Ihre momentanen Bedürfnisse?" Oder zur Begrüßung: "Teilweise okay?" Oder "Ich liebe Teile an dir." Wobei zu hinterfragen wäre, welche Teile. Da ist der Rundumschlag doch viel praktischer. Problematischer wird's da schon mit der Bestellung beim Italiener: "Einmal die Pizza mit allem." Vielleicht sollte man auf einen anderen Spruch hoffen: "Da hört doch alles auf!" oder wie man auch gerne sagt: "Da hört sich doch alles auf." Gewissermaßen Selbstzerstörungsmechanismus linguistischer Art.
Aus sprachwissenschaftlicher Sicht ist dein Beitrag mal wieder höchst interessant. Deshalb lege ich noch einen Kommentar nach. Der Satz "War das alles?" zeigt nämlich besonders deutlich die Rolle der Kontextabhängigkeit. Letzte Woche kaufte ich mir in einem Anflug unvernünftiger Schlemmlust ein Würstchen. Die Frage der Fleischverkäuferin "War das alles?" konnte man übersetzen mit "Erstick dran, du Geizhals!". Stellt sie dieselbe Frage nachts ihrem Mann, müsste eine andere Übersetzung formuliert werden. Und äußert Shannon Briggs gegenüber Vitali diesen Satz, wäre die korrekte Übersetzung: "Mir geht's scheiße. Aber besser du bringst mich um als mein Sponsor, denn der hat 12 Runden Sendezeit gebucht." Letztendlich wären da natürlich auch noch die 826 unter telefonbuch.de gelisteten Menschen selbigen Namens. "War das Alles?" Nein, das war nicht Albert Alles aus Niederaula, sondern Friedrich Fast aus Wanne-Eickel. Und jetzt bitte nicht den Kalauer: "Alle wollen alles, aber niemand will nichts."
Nichts
Interessant daran ist auch, dass scheinbar weder Rinderfilet noch Würstchen für Sprach-Gourmets besonders bekömmlich zu sein scheinen. Da werde ich mir morgen wohl lieber Pasta Linguistik machen - und zwar "mit alles", und davon extra viel!
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